Pressebericht Coburg 03.07.2004

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„MAGIC NIGHT OF ROCK“ AUF DEM COBURGER SCHLOSSPLATZ Rock-Legenden Deep Purple und Status Quo begeisterten mit Power rund 7000 Fans

VON DIETER UNGELENK
COBURG - Innovation heißt die Beschwörungsformel. Die Gesellschaft ist im Aufbruch, die Welt im Umbruch. Die ganze Welt? Nein, es gibt noch eine Insel der Seligen. Sie heißt Rock ‘n‘ Roll. Natürlich waren sie nicht gekommen, um musikalische Wegweisungen fürs dritte Jahrtausend zu erhaschen. In Lederkluft und Regencape, schulterlang behaart (oder auch gar nicht) waren sie aus allen Himmelsrichtungen nach Coburg gepilgert, um dem Sound ihrer Jugend nachzulauschen und Stars live zu erleben, die längst im Pantheon des Rock ‘n‘ Roll – Abteilung „hard & heavy“ – residieren.
Zur musealen Veranstaltung geriet sie dennoch nicht, diese „Magic Night of Rock“, die die Neue Presse am Samstag auf dem Schlossplatz präsentierte: Mit bemerkenswertem Biss und keineswegs selbstverständlicher Spielfreude fegten „Status Quo“ und „Deep Purple“ jedweden Staub vom eigenen Denkmal und ließen 7000 Rock-Herzen höher schlagen.
„Aufgewärmt“ von zwei jungen regionalen Bands und der DDR-Kult-Kombo „Puhdys“ (siehe Bericht unten) kam das Publikum bereits nachmittags mit „Thunder“ auf Touren. Die britischen Hardrocker um den stimmgewaltigen und stimmungsfördernden Sänger Daniel Bowes pflegen einen wuchtigen, bluesgetränkten Heavyrock, der Laune macht, dem aber jener Funke Originalität fehlt, der die seit 15 Jahren aktive Band in die erste Liga katapultieren könnte.
Um einige Grade rotziger und kantiger: „Cheap Trick“. Das Quartett aus Illinois/USA – nun auch schon 30 Jahre im Geschäft – erspart seinen Marshall-Türmen nichts und lässt ruppig anklingen, dass ein kleiner Punk hinter seiner ironischen Dandy-Fassade rumort. Aber auch dem Power-Pop sind Sänger Robin Zander und seine Jungs nicht abgeneigt: Nicht allzu lange lassen sie auf ihre klingende Visitenkarte warten: „I want you to want me“ – ein Partykracher der unverwüstlichen Art.
„Fun“ ist Programm bei „Cheap Trick“, dafür sorgt schon Gitarrist Rick Nielsen, der das Publikum unablässig mit Bonbons bombardiert und mit höchst kursiosen Gitarren-Unikaten entzückt: Eine Fünfhalsige sieht man nicht alle Tage. Getrübt wird das Vergnügen jedoch vom überaus verlärmten Sound.

Herzerfrischend
In dieser Hinsicht lassen die ersten Headliner des Abends nun wirklich keine Wünsche offen: Der Klang ist so klar wie (mittlerweile) der Himmel über Coburg, als „Status Quo“ Punkt 20 Uhr ihr 75-Minuten-Set mit „Sweet Caroline“ eröffnen. Gleißende Hammondorgel, beinharter Bass, bretternde Gitarren. Mit der Zuverlässigkeit einer Dampflok pflügen die Boogie-Rocker aus dem Königreich durch ihren Hit-Fundus („What ever you want“, „Deeper and down“ etc.), heften die Songs schon mal zu Medleys aneinander (was nicht allzu schwierig ist) – und verbreiten einen Riesen-Spaß dabei.
Gewiss: Wie kaum eine andere Band haben es „Status Quo“ geschafft, ihrem Namen und ihrer Linie über 30 Jahre lang treu zu bleiben (und damit weltweit 112 Millionen Platten zu verkaufen). Doch die Lust am Bluesen, Rocken und Rollen ist den beiden Bandvätern Francis Rossi und Rick Parfitt (nebst Paul Hirsh an den Keyboards, Drummer Matthew Letley und Bassist John Edwards) noch lange nicht abhanden gekommen. Sie kokettieren lässig mit ihrem Veteranen-Status („..und jetzt ein Lied, das wir in den 40ern, ..., äh 60ern geschrieben haben“) – und knattern derart herzerfrischend los, dass kein Bein auf dem Schlossplatz stehen bleibt – und kaum eine Kehle still, spätestens bei der Hymne „Rockin‘ all over the world“. Ein echtes Schmankerl inmitten der pulsierenden Rock ‘n‘ Roll-Show: „Gerdundula“, ein folk-fideler Saitenspaß ganz ohne Drums und Bass.
Von den Partyrockern zu den Symphonikern des Rock: ein ziemlich großer Schritt – der dank perfekter Festival-Regie in Coburg gerade mal 30 Minuten dauert. Dramatische Klänge stimmen auf jene Hardrock-Legende ein, die wohl die allermeisten Fans angelockt hat; Legionen von Scheinwerfern erwachen – und „Deep Purple“ erobern Coburg. Dass sie „mal eben“ aus der Schweiz angereist sind und noch in der Nacht per Bandbus zurückfahren werden, um bereits am Sonntag mit „Thunder“ und „Cheap Trick“ beim Jazz-Festival von Montreux zu spielen: Man merkt es ihrem 90-Minuten-Gig nicht an. Das Quintett um Sänger Ian Gillan ist voll da, wirkt ausgesprochen motiviert und bestgelaunt.
Nicht nur Bekanntes fegt in exzellenter Qualität über die Altstadt: Titel ihrer aktuellen CD „Bananas“ (wie den Opener „Silver Tongue“) mischen sie unter die Klassiker; komplexe Kompositionen in bester Purple-Tradition, dramatisch, raffiniert, voller Spielräume für solistische Eskapaden des Gitarristen Steve Morse und des neuen Keyboarders Don Airey – ob sie freilich Aufnahme in den Kanon der Purple-Evergreens finden werden, bleibt abzuwarten. Unter die Haut geht „Contact Lost“, eine furiose, effektvolle Gitarrennummer, die der tödlich verunglückten Columbia-Crew gewidmet ist, mit der die Band befreundet gewesen war.

Furioser Maestro
Die besondere Neugierde der Fans gilt natürlich dem neuen Herrscher über das Purple‘sche Tasten-Imperium -– und Don Airey stillt sie mit Vergnügen: Selbstbewusst tritt er mit einem grandiosen Solo in die großen Fußstapfen seines Vorgängers Jon Lord, dessen Faible für symphonische Opulenz der neue Maestro hörbar teilt. Von Bach bis Brubek, von Mozart bis Star Wars führt sein virtuoser und witziger Parforceritt.
So richtig aus dem Häuschen freilich geraten die 7000, wenn Deep Purple ihre Klassiker – hauptsächlich aus dem 1971er-Album „Machine Head“ – förmlich zelebrieren: „Woman from Tokyo“, „Strange kind of woman“ und – die pure Ekstase – „Highway Star“. Als kurz vor Elf das wohl ruhmreichste Gitarrenriff der Rockgeschichte Herzog Ernst schier vom Sockel fegt und 7000-stimmig „Smoke on the water“ ertönt, glaubt eine kleine dumme Regenwolke Tränen über das nahende Konzert-Ende vergießen zu müssen. Doch ohne Zugaben lässt Coburg die Altmeister nicht ziehen: „Hush“ führt weit zurück in die Band-History, Roger Glover lässt den Bass glühen, Don Airey improvisiert aus gegebenem Anlass „Singin‘ in the rain“ – und Ian Gillan geizt nicht mit Komplimenten fürs wunderbare Publikum.
Die Band, so scheint‘s, könnte noch locker weiterrocken – doch der Zeitplan ist gnadenlos. Und nach neun Stunden – und so manchem Bier – kommt wohl auch vielen Zuschauern das Stehvermögen abhanden.