Rossi Interview mit Aachener Zeitung (2.6.2003)

copyright Aachener Zeitung Michael Loesl

Als Typen sind Pink Floyd totale Schlaftabletten

Aachen. Ihre Hymnen wie «Rockin' all over the world», mit der sie Mitte der 80er Jahre das bis heute größte Musik-Event, «Live Aid», vor Millionen von Zuschauern eröffneten, gehören zu den definitiven Klassikern der Rockmusik. Die englische Band Status Quo, die am Freitag, 11. Juli, Freunde des handgemachten Rock auf den Aachener Katschhof locken wird, startete ihre Karriere Ende der 60er Jahre nicht etwa in der Musikmetropole London, sondern im westfälischen Bielefeld.

Von dort ging ihre musikalische Botschaft um die Welt: energiegeladener, erdiger, gitarrenorientierter Rock'n'Roll, der in der über 30-jährigen Geschichte von Status Quo weltweit Millionen von Fans fand. Ihr aktuelles Album «Heavy Traffic», da sind sich Kritiker und Fans einig, zählt zu einem der Besten ihrer Karriere.

AZ-Mitarbeiter Michael Loesl traf Quo-Frontmann Francis Rossi an einem freien Tag ihrer laufenden Welttournee, die sie nach Australien und Amerika nun auch nach Aachen führen wird.

Ihrem aktuellen Tourneeplan zufolge, sind Sie in Deutschland populärer als in ihrer englischen Heimat. Wie erklären Sie sich die spezielle Liebe der Deutschen zur Musik von Status Quo?

Rossi: Wir ließen uns 1968 für eine Weile in Bielefeld nieder, weil dort damals viele britische Soldaten stationiert waren, und versuchten von da aus, überall im Land Konzert-Engagements zu bekommen. Wir haben uns damals eine Fanbasis in Deutschland erarbeitet, die uns bis heute treu geblieben ist. Einer der Gründe, warum die jungen Bands von heute nach ein paar Jahren wieder von der Bildfläche verschwinden, liegt darin begründet, dass sie nur in London, Paris oder München auftreten wollen. Die spielen nicht in Minden oder Magdeburg, weil die Städte nicht 'in' sind, obwohl man sich gerade dort eine große Gefolgschaft erspielen kann.

Sind Sie andererseits der endlosen Tourneen nicht inzwischen müde geworden? Wünscht man sich mit 53 Jahren nicht etwas anderes als jeden Abend eine Party vor Publikum zu feiern?

Rossi: Nein, denn wir lieben das, was wir tun: Musik machen. Auch das unterscheidet uns von anderen Bands. Viele sind in dem Geschäft, weil sie berühmt sein wollen. Das Publikum kann sehr genau unterscheiden, ob jemand mit Herzblut bei der Sache ist oder nicht. Aber es gibt noch einen anderen Grund für uns, warum wir uns nie länger als drei Wochen von der Bühne trennen können: Wir hassen es, im Proberaum zu spielen. Wenn man fast ununterbrochen tourt, hält man eine Energie aufrecht, die man sich nach monatelangen Pausen wieder mühsam erarbeiten müsste. Dazu sind wir schlicht zu faul.

Nach Ihrer Tournee durch große Hallen im letzten Jahr, spielen Sie im Sommer eher in kleineren Städten. Ist das eine bewusste Entscheidung?

Rossi: Ja. Wissen Sie, warum viele Musikfans nicht mehr in die großen Städte fahren, um sich Konzerte anzuschauen? Weil ihnen dort ohnehin kaum noch wirkliche Live-Musik geboten wird. Stattdessen gibt es in den großen Arenen inszenierte Shows zu sehen, die als Konzerte verkauft werden. Insofern leisten wir Pionierarbeit, indem wir den Leuten zeigen, dass es tatsächlich noch Bands gibt, die live spielen können.

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Live-Musik keinen hohen Stellenwert für junge Leute mehr hat?

Rossi: Ich glaube gar nicht, dass das so ist. Zu unseren Konzerten kommen alle Altersgruppen, weil sie wissen, dass bei uns etwas passiert, was man eben nicht bei MTV sehen kann. In der Live-Situation passiert etwas magisches, was kaum zu beschreiben ist, und das Publikum spürt das. Bei uns ist die Musik real. Aber wir sind ja auch keine hübschen Jungs, bei denen alles nett, clean und bedeutungslos ist.

Statt dessen zelebrieren Sie zweistündige Rock'n'Roll-Parties. Sind Sie selbst ein Party-Typ?

Rossi: Überhaupt nicht. Ich trinke noch nicht mal Alkohol. Mich hat dieser Rock-Lifestyle nie interessiert, in dem man sieben Tage pro Woche Partys feiert. Diese ganze Drogengeschichte der Rockmusik widert mich an. Ist Ihnen mal aufgefallen, wie viel Alkohol konsumiert wird? Man trinkt bei Geburten, wenn jemand stirbt, wenn man niedergeschlagen ist, wenn man glücklich ist. Die Leute trinken, trinken, trinken. Wenn man schon eine Flucht vor der Realität oder der eigenen Schüchternheit braucht, empfehle ich gute Musik statt Alkohol. Die ist gesünder und beflügelt die Phantasie.

Gestalten Sie ihr Live-Programm so, dass die Liebhaber Ihrer Hits auf ihre Kosten kommen?

Rossi: Natürlich. Ich weiß, dass unser Publikum «Rockin' all over the world», «Down down» und «In the army now» hören will. Sie zahlen viel Geld für ein Ticket, und sie wollen unterhalten werden. Soll ich hingehen und sagen, dass ich die Songs nicht mehr mag und sie deshalb nicht mehr spiele, wie es viele Künstler tun? Ich mag unsere alten Songs, denn sie haben uns berühmt gemacht. Was nicht bedeuten soll, dass unsere neuen Songs nicht genauso gut oder besser sind. Wir werden einen Mix aus alten und neuen Songs spielen.

Wie hat sich eigentlich Ihr berühmtes Gitarren-Trio-Posing entwickelt?

Rossi: Mein Sohn meint immer, wenn er es sieht, dass es ziemlich bescheuert wirkt. Es hat sich einfach aus einem Gefühl heraus entwickelt. Wenn fünf Typen wie versteinert auf einer Bühne stehen und nur spielen, wird auch irgendwann das Publikum müde. Wenn aber ein bisschen Action da ist, hält man das Interesse wach. Ich mag Oasis, aber sie wirken auf einer Bühne ziemlich albern, wenn sie pausenlos auf den Boden starren.

Sie werden also nicht mit einer aufwändigen Produktion in Aachen auftreten?

Rossi: Das haben wir nie gemacht. Die Leute gehen nach einem Konzert schließlich nicht nach Hause und pfeifen die Lichtshow nach, sondern die Songs. Wir haben ein paar kleine Effekte dabei, aber der Fokus liegt auf der Musik. Warum brauchen Pink Floyd eine Mega-Show? Weil sie live ziemlich langweilig sind. Ich mag ihre Musik sehr, aber als Typen sind sie totale Schlaftabletten. Bei uns kann man zumindest noch über das Posing lachen. Und wenn es unser Publikum nicht tut, lachen wir eben selbst über uns. Aber was am Ende zählt, ist die Musik