Dave Edmunds (Quelle: Fischers Rocklexikon)

Mit Dave Edmunds betrat ein Musik- und Sound-Verrückter die Szene, der aus seiner Verehrung für traditionellen Rock'n'Roll, Rockabilly, Rhythm & Blues und Blues nie einen Hehl machte. Ihm gelang es, 'Oldies mit modernen Mitteln für eine neue Generation' (Rock Session) zeitgemäß zu gestalten. Edmunds verbeugte sich vor Chuck Berry, Jerry Lee Lewis, Carl Perkins und vor allem den Everly Brothers und verarbeitete in seinen Produktionen 'die Magie der 'Sun Records'-Ära und der besten Zeit von Phil Spector' (Rolling Stone). Sein Stil war einfach erfrischend und wirkte angesichts von immer neuen Sound- und Instrumententechnologien ausgesprochen belebend auf die Popwelt.

Den britischen Rock'n'Roll-Pionier, der inzwischen zur lebenden Legende stilisiert wurde, wünschten sich zahllose Bands und Solisten als Produzenten. Edmunds gilt als Multi-Talent, das zuweilen bei seinen Platten alle Instrumente im Alleingang beherrschte und sich besonders als flinker Gitarrist, lebendiger Vokalist, einfallsreicher Produzent und intelligenter Songschreiber reichlich Meriten verdiente. In der langen Liste seiner Schützlinge finden sich die Namen der Flamin' Groovies, Brinsley Schwarz, Foghat, sowie Deke Leonard, Carlene Carter und Mickey Jupp. Als Frontmann leitete Edmunds Love Sculpture und Rockpile und als Komponist glänzte er mit glasklaren, griffigen und unkomplizierten Rock'n'Roll-Songs.

Edmunds, am 15.4.1944 im walisischen Cardiff geboren, führte schon als 15jähriger mit den Raiders eine eigene Band. Sie spielte konventionellen Rock'n'Roll und wurde schnell als lokale Größe gehandelt. 1966 ging Edmunds nach London und schloß sich Image an, aus denen ein Jahr später mit Edmunds, Tommy Riley (dr) und John Williams (b) die Human Beans entstanden. Im Juli des Jahres bearbeiteten sie auf der Single 'Morning Dew' einen Klassiker von Tim Rose. Anfang 1968 benannte sich das Trio in Love Sculpture um, Bob 'Kongo' Jones löste Riley am Schlagzeug ab und im Februar erschien die Single 'River To Another Day'. Es folgte die Auskopplung 'Wang Dang Doodle' von dem Debütalbum 'Blues Helping'.

Im November 1968 standen Love Sculpture plötzlich mit einem fünf Minuten langen Instrumental unter den britischen Top 10. Der 'Sabre Dance' (GB 4) - frei nach Khachaturian - profitierte primär von Edmunds rasanter Gitarrentechnik. Eine längere Version wurde auf der LP 'Forms And Feelings' im Januar 1969 veröffentlicht.

Nach einer US-Tour, die mit einem finanziellen Fiasko endete, trennte sich das Trio Ende 1969. Edmunds zog sich nach Monmouthshire zurück und richtete mit den Brüdern Kingsley und Charles Ward die Rockfield Studios ein.

'I Hear You Knocking' (GB 1, US 3, D 3) - im Original von Smiley Lewis (1955) - bescherte dem 'kompromißlosen Rock'n'Roller der ersten Stunde' (Rock Session) im November 1970 den ersten internationalen Erfolg, der sich mehr als drei Millionen Mal verkaufte. Fast völlig eigenständig werkelte er an dem Album 'Rockpile', das allerdings weit hinter den hohen Erwartungen zurückblieb, wie auch die Singles 'I'm Coming Home' und 'Blue Monday'.

Anschließend vervollständigte der 'autonome Einzelgänger' (Guinness) sein Wissen über Studiotechnologien und Produzentenaufgaben. Doch zunächst wurde im Februar 1973 seine Ronettes-Bearbeitung von 'Baby I Love You' (GB 7) ein Bestseller. Im Sommer coverte er mit 'Born To Be With You' (GB 5) einen Song der Chordettes. Er komponierte außerdem ein Großteil des Soundtracks zu dem Film 'Stardust', in dem er ,neben Hauptdarsteller David Essex, auch eine kleine Rolle übernahm. Ansonsten lebte Dave Edmunds zurückgezogen in einem Landhaus direkt neben den Rockfield Studios.

Die Freundschaft zu Nick Lowe beendete sein Einsiedlerleben im Frühjahr 1975. Für das Album 'Subtle As A Flying Mallet' schrieben Edmunds/Lowe erstmals im Team einen Song.

1976 wechselte Edmunds zum Led Zeppelin-Label Swan Song. Die ersten Singles 'Here Comes The Weekend' und 'Where Or When' fielen im Herbst des Jahres durch. Er produzierte anschließend für die Flamin' Groovies das Album 'Shake Some Action' und kündigte gegen Ende des Jahres eine neue Supergruppe an. Rockpile sollten 'geschmackvollen Rock'n'Roll für Bars und Clubs spielen' (Dave Edmunds) und tourten zunächst im Vorprogramm von Bad Company durch Nordamerika.

Der Solist Edmunds hatte mit der LP 'Get It' im April 1977 kein Glück, kam aber im Sommer mit der Single 'I Knew The Bride' (GB 24) erneut in die Charts. Es folgten weitere Aufnahmen ungekünstelter, windschlüpfriger Rockmusik als 'aufrichtige Erweiterung von traditionellem Rock und nicht als simple Parodie' (Rolling Stone). Edmunds operierte im Studio und auf der Bühne gelöst, souverän und konnte auf billige Showeinlagen und Effekthascherei völlig verzichten.

Im Juli 1979 stand der Rockveteran mit der Elvis Costello-Komposition 'Girls Talk' (GB 2) wieder unter den britischen Top 10. Es folgten bis zum Frühjahr 1980 die Hits 'Queen Of Hearts' (GB 10) und 'Singing The Blues' (GB 28). Der 'konservative Rocker, der in der modernen Welt überlebte' (Trouser Press) schien auch bei der LP 'Repeat When Necessary' (GB 29) den dauerhaften kommerziellen Erfolg anzustreben.

Doch die positiven Ansätze reichten nicht aus. Sein Album 'Twangin'' empfanden Kritiker als 'einen Laden, der imitierte Stilmöbel verkauft' (New Musical Express) und lediglich mit den Singles 'Almost Saturday Night' (US 54) und 'Slipping Away' (US 39) gelangen ihm bis Mitte 1983 noch nennenswerte Erfolge. Das hochkarätig besetzte Album 'D.E.7' (1982) 'konservierte geschickt die Simplizität und Geradlinigkeit des 50er Jahre Rockstils' (Trouser Press). Edmunds überzeugte in der Live-Situation nach wie vor durch seine Begeisterungsfähigkeit, Spielfreude und Dynamik, doch trotzdem wurde die Luft im Rock-Zirkus für ihn immer dünner.

Angestaubt und anachronistisch - trotz verstärktem Einsatz von Synthis und Lynn-Drums - klangen auch 'Information ' und 'Riff Raff' mit Jeff Lynne (Electric Light Orchestra) als Produzenten. Der wortkarge und trinkfeste Super-Traditionalist verlagerte daraufhin seine Aktivitäten.

Dave Edmunds arbeitete 1985 intensiv an dem Soundtrack zu der Filmkomödie 'Porky's Revenge'. Er produzierte den Gitarristen Mason Ruffner, die Kanadierin K.D. Lang und seine Idole die Everly Brothers. Edmunds verhalf den Stray Cats zu einem Comeback, arbeitete mit Paul McCartney, Nick Lowe, Dion, Status Quo und Shakin' Stevens.

Die 1987 veröffentlichte, 'äußerst ergötzliche' (Trouser Press), Live-LP 'I Hear You Rockin'' wurde bei Auftritten in London und New York mitgeschnitten und war eine Art 'Best Of'-Sammlung. Die Band von Edmunds bestand dabei aus 'Mickey Gee (g), John David (b, voc), Geraint Watkins (key) und Dave Charles (dr).

Mittlerweile in Kalifornien lebend brachte Dave Edmunds nach sechsjähriger Pause im Februar 1990 ein neues Studioalbum auf den Markt. 'Closer To The Flame' bot 'eine fetzige Mischung aus Schmalzlocken-Rock und Rhythm & Blues' (Musik Express), die aber das Niveau der früheren Platten nicht erreichte.

In den 90er Jahren wirkte Edmunds mehr im Hintergrund, ging es ihm doch nie um egoistische Ziele, sondern immer nur um die Musik und die adäquate Umsetzung in einer möglichst professionellen, aber auch unverfälschten Produktion.